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Klimafreundlich auf dem Acker? Alternative Kraftstoffe in der Landwirtschaft

Traktoren könnten längst klimafreundlicher über die Felder rollen. Die Technologie steht bereit, HVO und Biodiesel sind einsatzfähig. Doch statt Fortschritt regiert Stillstand. Warum der Diesel immer noch dominiert und was sich ändern müsste.

 
Landwirtschaft fährt hightech – aber tankt gestern

GPS-gesteuerte Erntemaschinen, autonome Traktoren, die von KI gesteuert werden, digitale Düngeplanung – die Präzisionslandwirtschaft (so nennt man das) ist längst in der heutigen Zeit angekommen. Beim Kraftstoff sieht es allerdings anders aus. Fossiler Diesel bleibt Standard auf dem Acker, obwohl es Alternativen gibt, die sofort einsatzbereit wären. Biodiesel und HVO sind nicht nur technisch machbar, sie könnten den CO₂-Ausstoß landwirtschaftlicher Maschinen drastisch senken. Aber zwischen könnte und sein, klafft noch ein tiefer Graben voller wirtschaftlicher, politischer und logistischer Fragen.

Biodiesel: Technisch ready, wirtschaftlich abgewürgt

Was ist da los?
In Sachen CO₂-Bilanz liegt er weit unter fossilem Diesel. Die Infrastruktur? Schon da. Die Maschinen? Kompatibel. Umbauten? Nicht nötig.

Aber! Die Pflanzenöle, die für die Biodieselproduktion verwendet werden, kommen direkt vom Acker. Und da ist auch schon das erste Problem, denn es gilt Tank vs. Teller. Wenn mehr Pflanzenöle zum Tanken verwendet werden, bleibt weniger für die Nahrungsmittelproduktion. Mehr Anbaufläche könnte natürlich helfen. Aber das öffnet direkt die nächste Baustelle: mehr Flächenverbrauch, mehr Monokultur, weniger Raum für Natur. Heißt unterm Strich: Der Versuch, ein Problem zu lösen, schiebt gleich das nächste hinterher. Und während die Anzahl der Fragen wächst, schrumpft der Verbrauch, und zwar deutlich. Obwohl Deutschland 2024 rund 3,5 Millionen Tonnen Biodiesel hergestellt hat, wurden laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nur 2,1 Millionen Tonnen verbraucht. Das ist ein Minus von über 20 Prozent, der tiefste Stand seit Jahren.

Woran liegt’s?

Erstens: Die EU hat entschieden. Mit der EU-Richtlinie RED II (Renewable Energy Directive II) trennt sie die Spreu vom Bio-Weizen. Biokraftstoffe aus Abfällen gelten als nachhaltig. Biokraftstoffe aus Lebensmitteln wie Raps oder Soja nicht. Sie dürfen zwar verwendet werden, aber nur in begrenztem Umfang. Der Grund ist einfach: Wenn Kraftstoff auf Flächen wächst, die auch Lebensmittel liefern könnten, wird’s eng. Die Lebensmittelpreise steigen und die Landwirtschaft gerät unter Druck, weil neue Flächen erschlossen werden müssen. Genau das will RED II verhindern. Deshalb ist die Quote fix. Mehr geht nicht, selbst wenn genug da ist.

Zweitens: Raps verliert gegen Rübe. 2024 wurde in Deutschland erstmals mehr Bioethanol beigemischt als Biodiesel. Bioethanol spielt für die Landwirtschaft keine Rolle, weil Traktoren und Maschinen damit nicht fahren. Auf dem Acker zählt Diesel. Biodiesel. Trotzdem lohnt sich der folgende Fun Fact.
Ethanol wird aus Zuckerrüben oder Getreide gewonnen, Biodiesel aus Rapsöl. Beide wachsen auf dem Acker. Beide könnten den CO₂-Fußabdruck im Verkehr senken. Aber nur einer kommt durch. Denn: Ethanol hat das entspanntere Profil. Weniger Debatte um Flächen. Weniger Streit um Teller oder Tank. Biodiesel hingegen steht unter Beobachtung. Sobald Raps im Spiel ist, wird gerechnet. Wie viel Acker wird gebraucht? Wie viel CO₂-Einsparung bringt das wirklich? Und was kostet es, wenn Energiepflanzen Lebensmittelpflanzen verdrängen? Ergebnis: Die Technik könnte liefern. Aber die Politik setzt auf Pause. Raps hat den besseren CO₂-Wert. Rübe hat die bessere Presse. Und am Ende entscheidet die Quote.

Drittens: Neue Fuel-Sternchen gewinnen die Bühne für sich. Vor allem HVO ist ganz weit vorne. Funktioniert wie Diesel, läuft in den gleichen Maschinen, braucht keine Umrüstung. Für Agrarbetriebe eine zukunftsfähige Lösung. Einfach tanken und weiterarbeiten. Und weil es aus Abfall kommt, ist es politisch leichter durchzuwinken.

Viertens: Die Spielregeln haben sich verändert. Heute zählt nicht mehr, wie viel Biodiesel du einsetzt, sondern, wie viel CO₂ du sparst. Die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) ist hier das führende Maß. Und HVO schneidet auf dem Papier einfach besser ab, weil es aus Altfetten hergestellt wird und als nachhaltig gilt. Der Tank vs. Teller Konflikt ist hier kein Thema mehr.

HVO in der Landwirtschaft: Viel Potenzial, wenig Praxis

HVO hat für die Landwirtschaft riesiges Zukunftspotenzial. Die Schlepper müssen nicht umgebaut werden und HVO ist genauso lagerfähig wie herkömmlicher Diesel. Am Ablauf ändert sich also nichts. Allerdings gibt es da einen entscheidenden Knackpunkt. Der Preis liegt rund 20 Cent pro Liter über fossilem Diesel. Das allein bremst viele Betriebe aus, HVO zu tanken. Es gibt keine Steuervergünstigung und keine Förderung, obwohl die CO₂-Einsparung nachweislich da ist. Und das soll politisch auch erstmal so bleiben. Wer klimafreundlich tanken will, zahlt also drauf.

Knackpunkt Nr. 2 ist die Beschaffung. In Deutschland gibt es noch keine eigene HVO-Produktion. Der Markt hängt an Importen, vor allem aus Rotterdam. Der Kraftstoff gelangt über den Großhandel in den Markt. Die Verteilung orientiert sich dabei weniger am tatsächlichen Bedarf als an bestehenden Abnahmeverträgen. Vorrangig beliefert werden also Logistikunternehmen, kommunale Flotten und Energiehändler. Heißt: für die Landwirtschaft ist der Zugang bislang eingeschränkt. Der klassische Agrarhandel führt HVO in der Regel nicht, und auch Genossenschaften sind kaum eingebunden. Einzelne Anbieter oder freie Tankstellen beliefern auch landwirtschaftliche Betriebe. Aber das ist weit weg von flächendeckend.

Was muss passieren? Drei Dinge.

  • HVO muss steuerlich gleichgestellt oder zumindest anteilig entlastet werden. Wer CO₂ spart, darf nicht dauerhaft mehr zahlen.
  • HVO muss verlässlich verfügbar sein. Das geht nur mit einer Inlandsproduktion oder strategischen Liefervereinbarungen, die nicht nur Großabnehmer bedienen
  • Der Zugang zum Quotenhandel muss vereinfacht werden. Weniger Papier, mehr Praxis. Landwirte müssen THG-Vorteile nutzen können, ohne dafür externe Dienstleister einschalten zu müssen.

Fazit: Klimafreundlich auf dem Acker? Ja, das geht. Und es geht sogar schon los.

Der Kraftstoff funktioniert. Was ihn ausbremst, sind Preis und Verfügbarkeit.
Zu teuer für den Alltag und noch zu schwer zu bekommen für den Hof. Solange sich das nicht ändert, bleibt HVO ein Produkt mit Potenzial, aber ohne Reichweite. Dabei zeigt sich längst, dass es geht. Erste landwirtschaftliche Betriebe setzen HVO ein. Jetzt muss nur der politische Kurs angepasst werden, damit HVO beim Preis und bei der Versorgung mitziehen kann. Die Frage ist nicht mehr, ob HVO funktioniert. Die Frage ist, wann wir es möglich machen.